Was hat Chris de Burgh gemeinsam mit einer Kosmetikschülerin im kleinen, der Großstadt Essen eingemeindeten Dorf Kettwig? Eine Gabe, über die der berühmte Musiker, wie er in einem Interview mit einer Musikzeitschrift einräumte, nicht reden möchte. Genauso wie die Schülerin.

Das Kosmetikstudio mit angrenzender Akademie liegt in einer kleinen Seitenstraße in Kettwigs Altstadt – die in den Aufzeichnungen übrigens das erste Mal 1282 erwähnt wurde. Geschäftiges Treiben inmitten von Straßen mit Fachwerkhäusern, Kopfsteinpflaster und alten Bäumen prägen das Bild. Ein paar Meter weiter geht es über den Hexenbergweg hinunter zu Ruhr.

Passt irgendwie und dann auch wieder doch nicht, „Ich möchte nicht, dass mich jemand für eine Hexe hält oder so“, erklärt die Schülerin, nennen wir sie hier Marie. Dass sie überhaupt bereit ist, ein, zwei Fragen zu beantworten, ist dem Zufall geschuldet. Die Geschäftsführerin der Akademie ist eine Kundin von mir und auf der Suche nach gutem Storytelling für ihre Webseite treffe ich Marie im Studio, als sie sich gerade auf ihre Prüfung vorbereitet. Auf Sicht will sie sich selbständig machen, mit einem ganzheitlichen Konzept aus Kosmetik, Wellness und Massagen.

Schon der erste Blick – ich merke, wie sich die Atmosphäre im Raum verändert, fast, als würde kurz mal der Zeiger auf der Uhr stehen bleiben. Später erklärt Marie mir, sie könne die Aura eines Menschen sehen. Aura? Wikipedia erklärt das Phänomen so: Als Energiekörper oder Aura eines Menschen wird in verschiedenen esoterischen Lehren eine Ausstrahlung bezeichnet, die für psychisch oder anderweitig entsprechend empfindsame Menschen als Farbspektrum, das den Körper umgibt, wahrnehmbar sein soll. Aha. Aber gut, vielleicht fühle ich mich deswegen in diesem Moment wie ein offenes Buch – was Marie darin liest, bleibt ihr Geheimnis.

Auch wie sie es macht, dass dieses einer der außergewöhnlichsten Pressetermine wird, die ich bisher hatte – und das waren viele – erklärt sich nicht mit Worten. Marie weiß das vor mir, denn sie beginnt einfach mit einer Massage. „Das kann ich nicht beschreiben, das muss man selber fühlen.“ Insgesamt braucht sie vielleicht fünfzehn Minuten, davon fünf, damit ich mich entspannt auf die Behandlung einlassen kann und ein paar wenige Worte: „Lass Dich fallen.“ Oder habe ich mir das eingebildet? Ich kann es beim besten Willen nicht sagen. Was ich aber weiß – eigentlich waren wir gerade noch beim „Sie“. Dann warme Hände, die die Energie nur so fließen lassen.  Und gleichzeitig die vertrackten Stellen – vor allem Nacken und Schultern – erkennen und fiese Blockaden lösen, eingehandelt durch regelmäßig falsche Haltung vor dem Notebook. Kurz irritierend wird es, als ich erst nur einen Hauch, dann ein heftiges Pusten auf der Haut fühle, aber auch das ist mir irgendwann ganz egal.

Bevor ich gehe, müde und dennoch erfrischt, frage ich doch einmal nach, was es mit dem Pusten auf sich hat. Mir fällt auf, Marie wirkt plötzlich ein wenig mitgenommen. Sie fragt zurück: „Kann es sein, dass Sie im Moment viel Stress haben?“ Und: „Ich darf Ihre Aura nicht einatmen – damit sich das nicht auf mich überträgt.“ Ich glaube, ich brauche doch mal wieder Urlaub. Oder die Telefonnummer von Marie.